Bonifaz Wimmer

Bonifaz Wimmer (1809 bis 1887), Pionier in den USA und Erzabt
Unruhe und Tatkraft waren kennzeichnend für das Leben des Bonifaz Wimmer. Der aus Thalmassing stammende Sohn einer Gastwirtsfamilie studierte Theologie in Regensburg und München, und wurde 1831 zum Priester geweiht. Da es in der Regensburger Diözese damals mehr Geistliche als Stellen gab, wirkte er zunächst als Wallfahrtsseelsorger in Altötting. Dort hörte er auch vom wiederbegründeten Kloster Metten, in dem zu diesem Zeitpunkt nur zwei ältere Mönche lebten. Nachdem auch der Regensburger Bischof Johann Michael Sailer den Neuanfang unterstützte, entschloss sich Wimmer 1832 zum Eintritt in Metten und nahm den Ordensnamen Bonifaz an.

Wimmer wurde in verschiedenen bayerischen Benediktinerklöstern in verantwortlichen Positionen eingesetzt. Dabei scheute er auch keine Auseinandersetzungen, wenn es etwa um spezielle Ausrichtungen ging. Die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Begeisterung für die Mission erfasste nach und nach auch den Ordensmann. Er wollte in die USA gehen, was er letztlich mit Hilfe des ihn unterstützenden König Ludwig I. erreichte.

Mit 4 Theologiestudenten und 15 Laienbrüdern brach Wimmer am 25. Juli 1846 in die neue Welt auf und kam am 15. September in New York an. Dort hatte man für den „Superior der Bayerischen Benediktinermission“, wie er sich mittlerweile nannte, keine Aufgabe. So nahm der Ordensmann das Angebot des Pittsburgher Bischofs an und baute in der Pfarrei St. Vincent ein Kloster mit Schule auf, zu deren Abt er später werden sollte. Innerhalb von fünf Jahren stieg die Zahl der Ordensmitglieder auf 100, nach zehn Jahren war es 200. Zur Abtei wurde St. Vincent 1855 erhoben.

Insgesamt gründete Wimmer 152 Pfarreien, fünf Klöster und viele Schulen. Dazu gehörten Westen Collegeville, Atchison sowie als Zentrum im Osten Newark. Weitere Niederlassungen folgten, deren Abteierhebung der inzwischen zum Erzabt erhobene Bonifaz nicht mehr miterlebte. Er starb am 8. Dezember 1887. Weitere Informationen auch unter www.stvincent.edu im Internet sowie zur Lebensgeschichte von Erzabt Bonifaz Wimmer ein Aufsatz von Pater Roman Aigner.

Ein Benediktiner aus Metten als Pionier in Amerika

von P. Roman Aigner OSB

* Dieser Artikel geht auf ein Referat zurück, das P. Roman am 21. Juni 1995 in der Aula der Grundschule Thalmassing gehalten hat. Der Artikel wurde zum ersten Mal veröffentlicht in der Festschrift „1200 Jahre Thalmassing“, herausgegeben 1995 von der Gemeinde Thalmassing.

Es war eine Sensation in Rom, und ein kleiner Skandal wohl dazu, als Abt Bonifaz Wimmer 1865 in Rom den glattrasierten Kardinälen seinen wallenden Bart präsentierte. Ihm war es selbst nicht ganz geheuer gewesen, in dieser Pracht aufzutreten; er hatte in dieser Frage auch dem Mettener Abt Utto Lang geschrieben. Dieser hatte ihm geraten, klug zu sein und sich anzupassen. Die Dinge seien anders in Rom, und man sei dort nicht begeistert über Neuerungen. Abt Bonifaz entschied sich für seinen Bart. Und obwohl die Menschen auf der Straße aufmerksam wurden, die Nonnen erschreckt und die Kurienbeamten missmutig: der amerikanische Abt erhielt in einer Audienz bei Papst Pius IX. seine Bestätigung als Abt auf Lebenszeit. Und er wurde mit dem päpstlichen Segensgruß entlassen: ,,Lang lebe Abt Wimmer und sein wundervoller Bart.“ (1) Wer war dieser unkonventionelle Abt, der im Einklang mit den höchsten Autoritäten der Kirche so ganz anders sein durfte, als es von Leuten seines Standes erwartet wurde, und der sogar die Achtung eines so schwierigen Papstes wie Pius IX. erlangt hatte? Es war eben nicht irgendwer, sondern Bonifaz Wimmer: der Mann, der den alten Benediktinerorden in die Neue Welt verpflanzt hatte; der Gründer der Amerikanisch-Cassinensischen Benediktinerkongregation und erste Erzabt von St. Vincent; ein bayerischer Benediktiner aus der Abtei Metten; und nicht zuletzt, aber bis zuletzt ein Sohn der Gemeinde Thalmassing.

Von Thalmassing nach Metten

Sebastian Wimmer wurde am 14. Januar 1809 in Thalmassing geboren. Seine Eltern waren der Gastwirt Peter Wimmer und seine zweite Ehefrau Elisabeth, geborene Lang aus Langenerling. Bereits seine Geburt fiel in unruhige Zeiten, die napoleonischen Kriege, und rückblickend könnte es scheinen, als sei die Unruhe das Kennzeichen für sein ganzes Leben geworden. Nach dem Gymnasium in Regensburg begann Sebastian Wimmer dort 1826 sein Theologiestudium, das er im Jahr darauf in München fortsetzte.

Die Landeshauptstadt jedoch scheint auf den jungen Studenten einen sehr stimulierenden Einfluss gehabt zu haben. Wimmer wurde Mitglied einer Studentenverbindung, des ,,Corps Bavaria“, und er führte dort das Leben eines Corpsstudenten komplett mit Montur, Säbel und Pudel. Sein Vorsatz, Priester zu werden, geriet ins Wanken, und er erwog, auf die Juristerei umzusatteln; nach dem Tod seines Vaters war jedoch für diesen neuen Sattel kein Geld vorhanden. Auch für die Befreiung der Griechen von türkischer Herrschaft ließ sich der Student begeistern; eine freiwillige Meldung als Befreiungskämpfer scheiterte jedoch zweimal daran, dass die Annahmestelle schon geschlossen war, als Wimmer ankam, und so ließ er es wieder bleiben. Wider Erwarten erhielt er nun auch ein Stipendium im Georgianum, was ihm als Vorsehung erschien ; er blieb bei der Theologie.

Diese Turbulenzen sollen aber nicht zu dem Schluss verleiten, dass Sebastian Wimmer sein Theologiestudium auf die leichte Schulter genommen habe. Das Gegenteil ist der Fall. Er hörte in München die Spitzen der damaligen Wissenschaft, einen Friedrich Wilhelm Schelling, einen Franz Xaver Baader oder einen Joseph von Görres. Im Georgianum lebte damals auch der später berühmte Ignaz von Döllinger als junger Dozent. Seine akademischen Lehrer bescheinigen ihm stets Fleiß und hervorragende Kenntnisse, und seine geistlichen Leiter in den Seminarien ernstes geistliches Ringen um seinen Beruf. Die Vorgänge in München zeigen eher, dass Sebastian Wimmer nie einlinig dachte und stur auf einem vorgezeichneten Weg blieb. Er war stets fähig, die verschiedensten Anregungen aufzunehmen, zu überdenken, dann aber einem gefassten Entschluss treu zu bleiben.

Nach dem letzten Studienjahr, das er im Klerikalseminar in Regensburg verbrachte, wurde Wimmer am 1. August 1831 in Regensburg zum Priester geweiht. Da die Diözese Regensburg zu dieser Zeit mehr Priester als Posten hatte, es in der Diözese Passau aber umgekehrt war, kam der Neupriester als Wallfahrtsseelsorger nach Altötting. In der Priestergemeinschaft, die sich dort gebildet hatte, wurde eines Abends die Not des Klosters Metten diskutiert. Das alte Benediktinerkloster war nach der Säkularisation von 1803 als erstes Kloster dieses Ordens 1830 wiedererrichtet worden, bislang aber nur mit zwei älteren Mönchen besetzt. Bischof Sailer von Regensburg, ein großer Förderer dieses Klosters, suchte unter seinen Diözesanpriestern solche, die beim Neuanfang mitmachen wollten. Als Sebastian Wimmer davon hörte, fasste er die Not des neuen Klosters als persönlichen Anruf auf und entschloss sich zum Eintritt.

Dieser Schritt kam nicht unvorbereitet. Mögen auch Unzufriedenheiten mit der Stelle in Altötting mitgespielt haben, ausschlaggebend war doch eher, dass Wimmer schon als Student in München vom Benediktinerorden begeistert war. Was ihn besonders anzog, waren die Leistungen dieses Ordens in der Mission des Abendlandes sowie seine doppelte Verwurzelung: durch das Gebet in Gott und durch die Stabilität und wirtschaftliche Unabhängigkeit in der Landschaft und in der Bevölkerung.

So trat Sebastian Wimmer 1832 in Metten ein und erhielt am 29. Dezember 1833 in der Profess den Ordensnamen P. Bonifaz.

Als Mönch auf Wanderschaft quer durch Bayern

Zunächst wurde P. Bonifaz in den Klosterpfarreien eingesetzt. So kam er 1833 als Kaplan in die Pfarrei Edenstetten, und er hatte diesen Posten bis 1835 und dann wieder von 1836 bis 1837 inne. 1837 wurde er für ein Jahr Pfarrer in Stephansposching.

In diese Zeit fällt ein knappes Jahr, das für P. Bonifaz einiges an Auseinandersetzungen bringen sollte, und das deswegen sehr aufschlussreich für seinen Charakter ist. Es war dies die Zeit der ,babylonischen Gefangenschaft‘ in St. Stephan/Augsburg (2). Mit Erlass vom 12. Dezember 1834 übertrug der König der neugegründeten Abtei St. Stephan in Augsburg die Priorate Ottobeuren und Metten, das bisher selbständig gewesen war. P. Bonifaz war unter den Mönchen, die ab Oktober 1835 nach Augsburg versetzt wurden, um an der dortigen Schule zu unterrichten. Es gab Spannungen mit den Mitbrüdern, die teilweise aus österreichischen und Schweizer Klöstern kamen und einen völlig anderen Lebensstil pflegten als die Mettener Mönche. P. Bonifaz wurde zum Wortführer der Mettener Widerständler. Er verweigerte die Übertragung der monastischen Stabilität auf St. Stephan und trat mit der Regierung in München sowie mit seinem Heimatbischof Franz Xaver Schwäbl in Kontakt, um die Unabhängigkeit Mettens wiederherzustellen. Seine Diagnose, dass die Münchner ihr Misstrauen gegenüber Metten aufgeben würden, wenn der alte Prior Ildephons Nebauer zurückträte, erwies sich als richtig; König Ludwig ließ durchblicken, dass Metten unter einem fähigen Oberen selbständig und Abtei werden könne. Dass der todkranke Augsburger Bischof als Anwalt St. Stephans ausfiel, wertete P. Bonifaz als Werk der Vorsehung; er schrieb jedenfalls an Bischof Schwäbl: ,,Unser Hochwürdigster Bischof von Augsburg wird die nächste Woche wohl kaum überleben. Ich glaube, dass er zu Tode gebetet worden ist, denn wenn er nicht diese letzten drei Monate krank und deshalb erzwungenermaßen untätig gewesen wäre, hatten wir nichts erreichen können.“ (3) Anfang September 1836 konnten die

Mettener zurückkehren. Die Augsburger Affäre zeigte, dass Bonifaz Wimmer keinesfalls bereit war, kampflos von einer Sache abzulassen, die ihm richtig erschien. Und sie zeigt auch, dass er fähig war, gegebene Machtkonstellationen richtig zu deuten und auszunutzen. P. Bonifaz konnte Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn es nötig war, und er konnte trotz seiner Geradlinigkeit seine Argumente auf den jeweiligen Ansprechpartner abstimmen. Was er hier lernte, sollte ihm noch öfters von Nutzen sein.

Eine weitere, für später wichtige Erfahrung wurde der Einsatz in Scheyern. In dem 1838 wiedererrichteten Kloster vertraute man P. Bonifaz die wirtschaftliche Leitung an, die er vom Sommer 1839 bis zum Sommer 1840 innehatte.

Ab 1840 wirkte P. Bonifaz als Lehrer am Ludwigsgymnasium und Präfekt am Hollandeum (dem späteren Albertinum) in München. Für diese Aufgabe hatte König Ludwig ein Gruppe von Mettener Mönchen bestimmt. Und wieder war es München, das Bonifaz Wimmer auf neue Bahnen treiben sollte.

Zunächst war da das Mallersdorfer Projekt. P. Bonifaz regte den Ankauf der alten Klostergebäude an, ja er trat in Kontakt mit Geldgebern und Förderern. Sein Plan war es, dort eine Schule und ein Seminar für den Ordensnachwuchs zu errichten, um die bayerischen Benediktinerklöster mit Nachwuchs versehen zu können. Diese Gründung sollte zunächst ein abhängiges Priorat von Metten werden, eventuell später eine selbstständige Abtei. Abt Gregor Scherr von Metten war dagegen. Er sah eine Gefahr darin, sich eine neue Last aufzuladen. das Kloster war ohnehin bereits überbeansprucht. Mehrere Mitbrüder dagegen waren auf Wimmers Seite. P. Bonifaz versuchte auch, den König für sein Projekt zu gewinnen, indem er ihn auf die Vorteile hinwies, die ein ständiger Strom von jungen Ordensleuten für Kirche und Staat bedeuteten: ,, ,Bürgersöhne‘ werden eine gute Erziehung erhalten und Leiter in ihren Pfarreien werden. Was für eine Garantie wird ihre religiöse Erziehung sein für die Ruhe im Land, für seine Sicherheit und moralische Kraft!“ (4) Der Plan scheiterte jedoch am Widerstand des Abtes und an dem neuen Projekt König Ludwigs, der Wiedererrichtung des Klosters Weltenburg. Mit der Entscheidung unzufrieden schrieb P. Bonifaz 1842 an Abt Gregor: ,,Weil Sie keine Gründung nach Mallersdorf senden wollten, wohin jeder freudig gehen würde, müssen Sie sie nach Weltenburg senden, wohin keiner gehen will… Ich bin mir sicher, dass Metten dafür noch wird büßen müssen.“ (5) Wegen dieser Aktivitäten erhielt P. Bonifaz im Kloster den Spitznamen ,Planmacher‘ oder auch ,Projektenmacher‘. Dieses Image hing ihm noch lange an und beeinflusste auch die Auseinandersetzungen um die Gründung eines Klosters in Amerika.

Der Weg in die Neue Welt

Ende der 1830er Jahre war München die Hauptstadt der bayerischen Missionsbewegung geworden. 1838 wurde der LudwigsMissionsverein gegründet, der sich vor allem die Aufgabe gestellt hatte, Mittel für die Seelsorge an katholischen Auswanderern bereitzustellen. Seit 1840 hatte auch P. Bonifaz Wimmer Kontakt zu führenden Mitgliedern des Vereins. So kam es 1845 zu einer Begegnung, die sein weiteres Leben entscheidend umgestalten sollte. Im Mai war Peter Heinrich Lemke, ein deutscher Priester, der in Amerika als Seelsorger wirkte, bei den Mettener Mönchen in München zu Gast. Lemke berichtet von dieser Begegnung: ,,Eines Tages saß ich bei den Mettener Benediktinern, die ein Gymnasium versehen, zu Mittag. Da wurde natürlich viel von Amerika und den dortigen kirchlichen Zuständen gesprochen, und ich fragte gleichsam scherzweise, ob keiner von den Patres Lust hätte, mitzugehen; ich sei vom neuen Bischof einer neuen Diözese bevollmächtigt, deutsche Priester aufzunehmen. Nach Tisch nahm mich einer von den Professoren, Pater Bonifaz Wimmer, beiseite und eröffnete mir, dass er schon lange den Trieb in sich verspürt hatte, als Missionär nach Amerika zu gehen. Er wäre bereit, wenn ich ihm dazu behilflich sein wollte. Ich sagte ihm: ,Gehen Sie nicht als einzelner Missionär, sondern als Benediktiner! Sehen Sie zu, dass Sie noch etliche Ordensbrüder anwerben und suchen Sie um Erlaubnis und Bevollmächtigung nach, drüben ein Benediktinerkloster errichten zu dürfen.“ (6) Die Situation erinnert an den Entschluss zum Eintritt in Metten, die sich 13 Jahre zuvor in Altötting zugetragen hatte. Hier wie dort traf die Frage keinen unvorbereiteten P. Bonifaz, hatte er sich doch schon einige Zeit mit der Amerikamission beschäftigt. Aber hier wie dort brauchte es die persönliche Konfrontation mit einer Notlage, die P. Bonifaz zum Handeln veranlasste. Er stellte den Antrag, nach Amerika ausgesandt zu werden; er suchte Geldgeber und Förderer; zudem hatte Lemke zugesichert, den Benediktinern seinen Grundbesitz in Amerika zu überlassen.

Die Gründe für diese Begeisterung Wimmers liegen in seiner Auffassung vom Wesen des Ordens, dem er angehörte. Schon als Student war er angetan von der missionarischen Kraft, die die Benediktiner des Mittelalters erfüllt hatte. Zudem war er überzeugt, dass nur ein Kloster, das aufgrund seiner sicheren ökonomischen Grundlage am jeweiligen Ort die nötige Ausdauer haben würde, den Schwierigkeiten im Neuland zu begegnen. Nur die Benediktiner schienen ihm anpassungsfähig und unabhängig genug zu sein, um neuen Lagen gerecht zu werden.

Seine Mitbrüder unterstellten ihm teilweise andere Motive. So glaubten einige, er sei nur verärgert, weil sein MallersdorfPlan nicht gelungen sei, und er wolle deshalb möglichst weit von Metten weg. Andere meinten, er wolle doch bloß selbst Abt werden, und das sei in Bayern nicht möglich. Er sei eben der alte ,Projektenmacher‘.

Abt Gregor Scherr lehnte das Ansuchen P. Bonifaz, deshalb zunächst ab. Auch der Versuch, unter Vermittlung der römischen Propagandakongregation die Erlaubnis zu erhalten, schlug fehl. Die Wende brachte erst der Aufsatz Wimmers in der ,Augsburger Postzeitung‘ vom 8. November 1845, in dem er seine Pläne darlegte. Dieser Aufsatz interessierte den König für das Projekt; damit auch den Nuntius in Bayern; und damit dann doch auch Gregor Scherr. So erhielt P. Bonifaz schließlich die Erlaubnis, nach Amerika zu gehen.

Schon im Vorfeld hatte Bonifaz Wimmer vier Theologiestudenten und 15 Laienbrüderkandidaten angeworben, die mit ihm in eine in jeder Hinsicht völlig neue Welt ziehen wollten. Unter ihnen war auch sein Neffe Georg Wimmer, ebenfalls ein Thalmassinger, der 1901 als P. Lukas in Amerika starb (7). Die Gruppe brach am 25. Juli 1846 von München aus auf und kam am 15. September in New York an. Während der Überfahrt begann P. Bonifaz den Noviziatsunterricht und das gemeinsame Gebet, so weit es die allgemeine Seekrankheit zuließ; nach seinen Briefen war der neue ,Superior‘ fast der einzige, der von ihr verschont blieb. In einem Brief an Abt Gregor beschreibt er die Lage so: ,,Meine 19 Mann sind beisammen (…). Nach meiner Anordnung beten sie morgens, mittags und abends täglich einen hl. Rosenkranz, laut und kniend. Anfänglich hatte es Schwierigkeiten; die einen Mitreisenden lachten, andere pfiffen oder sangen, andere trieben anderes, indessen mit Geduld, Ernst oder wo es nottut, auch mit entschiedenem Auftreten bekamen sie mehr Ruhe, und es geht jetzt doch ziemlich gut. Den vielen Juden muss ich dabei zur Ehre nachsagen, dass sie tolerant sind; aber etliche Württemberger und Franzosen brauchten die Drohung, dass man ihnen das Maul stopfen werde, wenn sie mit Fleiß die Betenden störten; die besseren, selbst Matrosen, nehmen sogar daran Anteil.“ (8)

Das erste Benediktinerkloster in Amerika

Die Ankunft in New York war nicht ermutigend. Peter Heinrich Lemke war nicht erschienen, um die Missionare zu empfangen. Deutsche Seelsorger, die seit längerem in Amerika Dienst taten, darunter der Generalvikar für die deutschen Katholiken in New York, Johannes Raffeiner, erklärten das Unternehmen Wimmers für unmöglich. Ihr Rat: P. Bonifaz sollte die Laien entlassen, die Theologiestudenten in amerikanischen Priesterseminaren unterbringen und selbst Diözesanpriester werden.

Aber Bonifaz Wimmer wollte nicht die weite Reise gemacht haben, um dann gleich bei der Ankunft aufzugeben. Er entschloss sich, die Angebote Lemkes und des Pittsburgher Bischofs Michael O´Connor wenigstens in Augenschein zu nehmen. So reiste die Gruppe Lemke war schließlich doch noch eingetroffen, er hatte sich nur verspätet weiter nach Carrolltown am Alleghanygebirge, zur Besitzung Lemkes. Nachdem man sich dort notdürftig eingerichtet hatte und ein vorläufiger Kaufvertrag abgeschlossen worden war, begab sich P. Bonifaz, der ,Superior der bayerischen Benediktinermission‘, wie er sich seit der Abreise aus München nannte, zum Ortsbischof. Dieser schlug ihm einen anderen Wirkungsort vor: die Pfarrei St. Vincent, zu deren Ausstattung zwei Grundstücke gehörten, die mit 365 bzw. 165 Tagwerk als ökonomische Grundlage einer klösterlichen Gemeinschaft dienen konnten. Nachdem auch die deutsche Gemeinde von St. Vincent die Missionare gebeten hatte, sich bei ihr niederzulassen, und da P. Bonifaz die Lage dort besser schien, zog die Missionarsgruppe dorthin um.

Am 24. Oktober 1846 wurden die Kandidaten eingekleidet. ,,Da die nötige Anzahl von Habiten fehlte, wurde die Einkleidungszeremonie immer an sechsen vollzogen, die dann in der Sakristei ihre Laienkleider wieder anzogen, damit die nächsten sechs eingekleidet werden konnten.“ (9) Von den drei Gebäuden, die zur Pfarrei gehörten, waren zwei noch anderweitig genutzt; den Mönchen stand ein Haus zur Verfügung mit zwei Räumen im Erdgeschoß, die als Pfarrbüro und als Küche, Speisezimmer und Aufenthaltsraum dienten, und einem Dachboden. Der ,,Boden unter dem Dache aber war unser Dormitorium, wo wir ohne Bettstätten auf unseren Strohsäcken schliefen und morgens sehr gerne aufstanden, weil es so kalt war, dass man auch unter der wollenen Decke fror“ (10). So begann das klösterliche Leben in Amerika. Am 5. November ernannte Bischof O´Connor P. Bonifaz zum Pfarrer von St. Vincent. Die Lage der jungen Gemeinschaft war rechtlich ungesichert, da das Recht zur Nutznießung des Pfarrbesitzes nur auf der Person des Pfarrers beruhte. Sollte P. Bonifaz sterben oder versetzt werden, so müssten die Mönche wieder abziehen. Erst am 15. Februar 1848, nachdem Bonifaz Wimmer mit dem Abzug der Mönche gedroht hatte, sicherte Bischof O´Connor den Mönchen zu, den jeweiligen Oberen der Gemeinschaft gleichzeitig zum Pfarrer zu ernennen. Erst jetzt konnten die Erweiterungsbauten begonnen werden, um der Raumnot abzuhelfen.

Dennoch enthielt auch die neue rechtliche Lage für den Geschmack P. Bonifaz, noch zuviele bischöfliche Rechte. Darum erbat er in einer Bittschrift an Papst Pius IX., St. Vincent als Kloster des Benediktinerordens zu errichten, ihm die Pfarrei ganz zu übertragen und die Erlaubnis zur Gründung von Klöstern in anderen Diözesen zu erteilen. Die erbetenen Rechte wurden erteilt, die entsprechende Urkunde gelangte wegen der Unruhen in Italien aber erst 1850 nach St. Vincent. Im Herbst 1851 erst ließ sich Bischof O´Connor bewegen, St. Vincent als ,nichtexemtes Benediktinerkloster‘ zu errichten; die vollständige Befreiung von der bischöflichen Oberhoheit war nicht gelungen.

Seit 1851 betrieb Bonifaz Wimmer die Erhebung von St. Vincent zur Abtei. Er hielt dies für wichtig, um gegenüber dem Bischof, aber auch gegenüber den abhängigen Häusern einen sichereren Stand zu haben. Über den Bischof war das nicht zu erlangen, die Gründe dafür werden wir noch betrachten. Helfer in der Not war wieder einmal König Ludwig. Aber auch mit dessen Unterstützung dauerte es noch bis zum 24. August 1855, dass St. Vincent zur Abtei erhoben und Bonifaz Wimmer zum Abt auf drei Jahre ernannt wurde. Die Abteierhebung wurde in St. Vincent als das Zeichen gefeiert, dass allen Widerstanden zum Trotz die Gründung gelungen sei.

Dissonanzen um St. Vincent

Es war keineswegs ein ruhiges Leben, das sich in St. Vincent entfaltete. Der Arbeitseinsatz der Mönche war gewaltig; P. Bonifaz war als zunächst einziger Priester mit dem Gebiet einer Pfarrei belastet, das der Diözese Passau in etwa entspricht, die Brüder mussten in kürzester Zeit die Gebäude für den Konvent und die Landwirtschaft errichten, die Studenten ihre theologischen und geistlichen Studien machen und dazu in der Landwirtschaft helfen. Zu diesem alltäglichen Arbeitslast kamen noch diverse Auseinandersetzungen.

Bischof O´Connor schien in der klösterlichen Niederlassung eine Einrichtung der Diözese zu sehen, und er behandelte sie auch so. Es kam zum Streit um die Seminaristen, als er forderte, dass St. Vincent eine vom Bischof bestimmte Zahl englischsprechender Schüler aufnehme und sie unentgeltlich ausbilde. Von Anfang an wurden in St. Vincent deutsche und irische Schüler unterrichtet, wie auch die Pfarreien für beide Sprachgruppen da waren. Bonifaz Wimmer widersetzte sich allein dem Anspruch des Bischofs, in klösterliche Angelegenheiten hineinzuregieren. Eine Kontrolle des Bischofs über seine Schule konnte und wollte er nicht zulassen.

Delikater noch in jeder Hinsicht war ein anderer Streitpunkt, der sich ebenfalls durch alle Verfahren ziehen sollte. 1849 war ein Neffe Bonifaz Wimmers nach Amerika gekommen, der von dem Geld, das er für St. Vincent bringen sollte, eine größere Menge für die Überfahrt verbraucht hatte. Auf seinen Vorschlag hin wurde ihm eine Gaststätte und eine Brauerei errichtet, damit er seine Schulden abzahlen konnte. Als diese Unternehmen pleite gingen, übernahm sie P. Bonifaz für das Kloster. Bischof O´Connor dagegen, der die Alkoholprobleme der irischen Arbeiter kannte, war überzeugter Abstinenzler; als solchem waren ihm bierbrauende Mönche überaus verdächtig. Bonifaz Wimmer willigte ein, die Gaststätte zu schließen; die Brauerei aber wollte er behalten, bis die Schulden getilgt seien.

Die Auseinandersetzung um die Brauerei behinderte jedoch auch die Entwicklung St. Vincents zur Abtei, da die römischen Behörden auf einer Einigung mit dem Ortsbischof bestanden. Wimmer willigte schließlich ein, die Brauerei zu verkaufen; vom Bischof erhielt er eine Lizenz, Bier für den Verkauf zu brauen. Diese Lizenz wurde jedoch erst 1860 nach dem Rücktritt Bischof O´Connors in Anwendung gebracht, um weitere Reibungen zu vermeiden; ,,und obwohl das Unternehmen nie eine größere Einkommensquelle für die Gemeinschaft wurde, produzierte es etwa 60 Jahre lang das ,St. Vincent Bier‘, das auf seine Weise dem Kloster zur Berühmtheit verhalf“ (11). Papst Pius IX. nahm die ganze Angelegenheit nicht so tragisch; in einer Audienz erinnerte er P. Bonifaz daran, dass auch der Apostel Paulus seinem Schüler Timotheus geraten habe, mit Rücksicht auf seinen Magen Wein zu trinken.

Man täte Bischof O´Connor aber sicherlich Unrecht, wenn man ihn als den Widersacher Bonifaz Wimmers sehen würde. Er hatte von Anfang an das Unternehmen gefördert, und er blieb bei allen Auseinandersetzungen ein Freund der Benediktiner. Allerdings kann man es ihm nicht verdenken, dass er versuchte, die Angelegenheiten so lange in seiner Hand zu behalten, bis die Gründung ihr Gelingen gezeigt hatte. Schließlich konnte auch er es sich nicht leisten, Kirchengut vertrauensvoll jedem Abenteurerhaufen zu überlassen; und es ist ihm nicht zu verübeln, dass ihm die Missionare aus Bayern zunächst als solche erschienen sind. Bonifaz Wimmer war seinerseits vielleicht zu vertrauensselig in seinem Schaffensdrang, wie sich immer wieder zeigte, und forderte deshalb auch zuviel Vertrauen ihm gegenüber.

Weitere Gründungen

Von Anfang an war es das Ziel Bonifaz Wimmers gewesen, nicht nur ein Kloster, sondern mehrere zu gründen. Die Geschichte von St. Vincent zeigt, worauf es ihm bei seinen Gründungen ankam. Das Wichtigste war eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage, das hieß eine genügend große Landwirtschaft. P. Bonifaz vermehrte den Grundbesitz wo er nur konnte, ließ Ställe und Scheunen aufführen und Vieh aller Art halten. Dass er sich damit in Schulden stürzte, war kein großes Problem; er hatte bald Kredit, und er wusste, dass er sich auch auf seine Geldgeber in der Heimat verlassen konnte. König Ludwig bewährte sich auch hier.

Nicht nur wegen der wirtschaftlichen Grundlage, sondern auch aus tieferen Gründen hielt Bonifaz Wimmer die Arbeit seiner Mönche in der Ökonomie für notwendig. Denn, so sagte er, ,,wenn sie den Boden mit dem Schweiß ihrer Stirn getränkt haben, wird ihnen das ein Verständnis für den Wert der Arbeit geben und sie darüber hinaus lehren, ihre neue Heimat zu lieben“ (12). Diese Verbindung von ökonomischer Grundlage und missionarischem Auftrag wurde für die meisten von Wimmers Gründungen prägend. So entstand auf dem Gebiet Lemkes, das schließlich doch noch angekauft worden war, 1848/49 eine kleine Gemeinschaft, die Pfarrei und Missionen versah. Bereits 1851 konnte die neue Kirche geweiht werden. In dieser Form besaß St. Vincent außerhalb des Mutterhauses einige Niederlassungen bereits um 1850, so in Indiana und St. Mary´s in Elk County.

Nach der Abteierhebung St. Vincents begann die planmäßige Gründung von Prioraten. Aus sechs Diözesen lagen Anfragen von Bischöfen vor. Aus den Erfahrungen mit Bischof O´Connor klug geworden, beschlossen die Mönche, nur dort zu siedeln, wo ihnen von Anfang an der jeweilige Grundbesitz übertragen würde, und wo sich der Bischof jeder ungerechten Einmischung enthielte (13). In der Folge entstanden im Westen Collegeville (1856 gegründet, 1866 Abtei) und Atchison (1857 gegründet, 1876 Abtei) sowie als Zentrum im Osten Newark (1857 gegründet, 1884 Abtei). Weitere Niederlassungen folgten, deren Abteierhebung Abt Bonifaz teilweise noch erleben durfte.

Konsolidierung und weitere Entwicklung

Abt Bonifaz war nur auf drei Jahre zum Abt ernannt worden; nach Ablauf dieser Frist sollte der Konvent seinen Abt frei wählen. 1858 stand diese Frage im Raum. Obwohl Abt Bonifaz auch die Möglichkeit erwog, nicht wiedergewählt zu werden seine Art, ein Kloster zu leiten, und sein kompromißloser Umgang mit Mitbrüdern schufen ihm nicht nur Freunde fielen 39 von 43 Stimmen auf ihn. Die Mönche waren zwar davon ausgegangen, nun ihren Abt auf Lebenszeit zu wählen; dennoch bestätigte Rom Abt Bonifaz Wimmer auch diesmal nur auf drei Jahre. Erst 1866 wurde Abt Bonifaz auf Lebenszeit in seiner Würde bestätigt.

In den neuen Klöstern und Gemeinschaften gärte es; jede Entscheidung konnte zum Richtungsstreit werden, und um jede Frage teilten sich die Fronten. Der alte Streit um den Vorrang des klösterlichen oder des missionarischen Lebens entzündete sich in den frühen 1860ern neu an der Gestalt eines Novizen, Fr. Paul Georg Keck. Im Sommer 1859 war der 23jährige ehemalige Student und Schauspieler aus dem Rheinland eingekleidet worden, und schon am 18. September hatte er seine erste Vision. ,,Ein Benediktinermönch im Chorgewand, das Haupt mit einer Kapuze bedeckt und ein Kreuz in der rechten Hand“ (14) war ihm erschienen und hatte ihm geoffenbart, dass er noch im Fegfeuer sei. Weitere Offenbarung derselben Art lehrten, dass alle fünf bisher verstorbenen Priester der Kongregation noch im Fegfeuer seien; dass also mehr klösterliche Disziplin nötig sei und alle Mönche einen Rosenkranz am Gürtel tragen und den Namen ,Maria‘ zusätzlich zu ihrem Ordensnamen annehmen sollten. Die Offenbarungen spalteten die Kommunität; die Partei der monastischen Reform scharte sich sofort um den Novizen. Auch Bonifaz Wimmer, der zwischen den Fronten stand, scheint zunächst an die Möglichkeit der Echtheit solcher Visionen geglaubt zu haben. Im August 1860 schien die Angelegenheit beendet; das Konventkapitel lehnte die Zulassung Fr. Pauls zu den Gelübden ab. Einige Mitbrüder im Priorat St. Joseph/Kansas betrieben jedoch die Wiederaufnehme Paul Kecks, und bald war er wieder im Noviziat in St. Vincent.

Neue Visionen führten zu einer Massenhysterie in St. Vincent. Keck erhielt den Willen Gottes mitgeteilt durch einen Engel; so erfuhr er im November 1861, dass Martin Luther nicht in der Hölle, sondern nur im Fegfeuer sei, was die biederen bayerischen Mönche schon etwas verwunderte. Problematischer war, dass Keck versuchte, durch seine Visionen auch die Personalpolitik und die Reformen im Kloster zu kontrollieren. Hier regte sich der Widerspruch des Abtes. Bonifaz Wimmer war nicht bereit, sich dreinreden zu lassen, auch nicht von einem Engel.

Als sich Keck möglicherweise Chancen bei der Abtwahl 1862 ausrechnete, versuchte er, mit seinen Visionen seine Priesterweihe zu erzwingen, obwohl dafür die nötigen Voraussetzungen fehlten. Der Abt lehnte ab, und Fr. Paul ging ins Priorat St. Mary´s, wo er Anhänger hatte. Dort betrank er sich bei einer Party bei Bekannten eines der dortigen Priester und versuchte auf dem Heimweg eine Aktion, die zu seiner Entfernung aus dem Orden wegen ,,schwerer Sünden gegen das sechste Gebot“ (15) führte. Schließlich zog die Glaubenskongregation in Rom den Fall an sich, die Streitigkeiten setzten sich fort, und Abt Bonifaz sah sich genötigt, von 1865 bis 1866 über ein Jahr in Rom zu weilen, um die verschiedensten Angriffe und Vorwürfe gegen ihn und seine Amtsführung abzuwehren. Wie sehr ihm das gelang zeigt, dass die ganze Affäre endete mit einer Anerkennung seiner Leistungen und der Verleihung der Abtwürde auf Lebenszeit.

Die letzten zwanzig Jahre seines Lebens zeigten Abt Bonifaz Wimmer als Prälaten der Kirche, der auf ein gefestigtes Werk zurückblicken konnte und der seine Aufgaben in den klösterlichen Gemeinschaften und der Kirche wahrnahm. So nahm er in seiner Eigenschaft als Präses der AmerikanischCassinensischen Benediktinerkongregation als Konzilsvater am Ersten Vatikanischen Konzil teil. 1880 reiste er anlässlich der Feiern zum 1500. Geburtstag des Hl. Benedikt nach Monte Cassino, wo er als ältester der anwesenden Äbte Vorsitzender der Beratungen zur Neugestaltung des Ordens wurde. Unter seinem Vorsitz wurde dem Orden die Gestalt gegeben, die er bis heute besitzt.

Im Alter häufen sich die Jubiläen. Im Oktober 1871 konnte die 25-Jahr-Feier von St. Vincent begangen werden. Die kleine Kommunität von 19 Mönchen im Jahr 1846 war angewachsen auf 148 Mönche; 12 Benediktiner und 15 Diözesanseminaristen studierten in St. Vincent, und das College besaß rund 250 Studenten. Priester der Abtei wirkten in 50 Pfarreien und Missionsstationen in 6 Diözesen und in 5 Staaten.

Am 29. Dezember 1883 konnte Bonifaz Wimmer seine Goldene Profess feiern. Zu diesem Anlass traf auch eine Gratulation des Hl. Stuhles ein mit der Ernennung zum Erzabt. Bezeichnend ist seine Reaktion darauf: ,,All das ist sehr nett und gutgemeint. Aber es hilft mir nicht, in den Himmel zu kommen, und ich könnte leicht ein paar Jahre Fegfeuer dafür bekommen. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, wie ich es nie wusste. Ich lasse sie eben machen mit mir, was sie wollen.“ (16) Seit Mitte der 1880er Jahre klagte er über zunehmende gesundheitliche Probleme. Die Augen ließen nach, das Herz wurde schwächer, und der Magen vertrug vieles nicht mehr. Er war einsam geworden, von den Mönchen, die mit ihm nach Amerika gekommen waren, waren viele nicht mehr am Leben oder auf weit entfernten Stationen. Die Kluft zur nachfolgenden Generation wurde größer, wie er selbst spürte: ,,Die Vergangenheit erscheint mir oft wie ein Traum. Manchmal fühle ich mich wie Adam vor der Erschaffung Evas. Ich sehe niemanden, der mir gleicht. Ich bin umgeben von jungen Mönchen. Ich bin wie ein alter Baum inmitten von jungem Unterholz.“ (17)

Erzabt Bonifaz erlaubte nur einem Menschen Kritik an seiner Person, und das war er selbst. Nie hatte ihn die Selbstkritik verlassen, auch nicht in den Stunden, in denen er auf das Vertrauen in sich sein ganzes Werk hatte setzen müssen. Was er bei seinem Eintritt in Metten an Prior Ildephons Nebauer geschrieben hatte: Ich ,,fürchte nichts außer mir selbst. Selbstmisstrauen war immer einer meiner Gründe für den Eintritt ins Kloster“ 18 blieb gültig bis an sein Lebensende. Bonifaz Wimmer starb am 8. Dezember 1887, um 10 Uhr vormittags. Auch ihm selbst war bewusst, wie viel noch zu tun, wie viel noch unfertig und im Werden war, als er starb. Aber es war auch eine Menge, das im Werden war und das in den 41 Jahren, die Erzabt Bonifaz Wimmer und seine Mönche in Amerika gewirkt hatten, geworden war. Es war die Seelsorge an deutsch- und englischsprechenden Katholiken; es war die Mission bei Protestanten, die Bildungsarbeit bei der schwarzen Bevölkerung von Georgia und den Indianern in Minnesota, die Seelsorge an böhmischen Auswanderern im mittleren Westen und vieles mehr.

Im Jahr seines Todes schrieb Erzabt Bonifaz an P. Coelestin Englbrecht: ,,Dem Tode nah und langsam sterbend, denke ich natürlich ziemlich oft an die vergangenen Tage und frage mich, wie die Dinge den Weg genommen haben, den sie nahmen. Keiner glaubte uns fähig, irgendetwas Bedeutendes zu vollbringen, und doch haben wir etwas vollbracht. Gottes Gnade war offensichtlich mit uns. Unser Hauptziel die Errichtung des Ordens in Amerika ist erreicht worden. Und unser zweites größeres Vorhaben einen ausreichenden Klerus für unsere deutschen Katholiken auszubilden und bereitzustellen ist auf gutem Weg. (. . .) Für viele hatten unsere Gründungen ernsthafte Fehler. Aber das konnte nicht anders sein ohne ein Wunder, und ich glaube fest daran, dass es besser gemacht werden kann, wenn erst eine feste Ordnung in unseren Abteien und Prioraten eingeführt ist.

Deshalb wollen wir nicht halbherzig oder entmutigt werden. Viel lieber wollen wir zuversichtlich und mutig weiterarbeiten, so gut wir können. Insofern die Dinge so weit gediehen sind allein mit der offensichtlichen Unterstützung und Gnade Gottes, so dürfen wir nicht in Zukunft Erfolg von uns selbst erwarten, sondern wieder allein von der Gnade und Unterstützung Gottes, der uns nicht zugrundegehen läßt, solange wir nicht für uns selbst, sondern für ihn, für seine heilige Kirche, für den Orden, und für die Seelen arbeiten.“ 19

Anmerkungen:

1) Vgl. Jerome Oetgen: An American Abbot. Boniface Wimmer, O.S.B 18091887, Latrobe, Pennsylvania 1976, S. 6 (Übs. v. Verf.).

2) Vgl. Michael Kaufmann: Säkularisation, Desolation und Restauration in der Benediktinerabtei Metten (18031840), Metten 1993, S. 333.

3) Oetgen, An American Abbot, S. 29 (Übs. v. Verf.).

4) Oetgen, An American Abbot, S. 32 (Übs. v. Verf.).

5) Oetgen, An American Abbot, S. 34 (Übs. v. Verf.).

6) Willibald Weber: Erzabt Bonifaz Wimmer + 8. 12. 1887, in Fortsetzung erschienen in: AJM 44 (1977/78) S. 813, 138144; 45 (1978/79) S. 816, 172178; 46 (1979/80) S. 2126, 229235; 47 (1980/81) S. 208211; 48 (1981/82) 2431. hier: 45 (1978/79) S. 12.

7) Vgl. Brief Abt Bonifaz Wimmer an König Ludwig I. vom 13. Juli 1858, in: Willibald Mathäser (Hg.), Bonifaz Wimmer O.S.B. und König Ludwig I. von Bayern, München 1937, S. 104 Anm. 3.

8) Willibald Weber: Erzabt Bonifaz Wimmer t 8. 12. 1887, in: AJM 45 (1978/79) S. 176.

9) Marianne Popp: Bonifaz Wimmer (18091887). Erzabt von St. Vincent, in: Georg Schwaiger (Hg.): Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg (= Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg, Bd. 23/24), Regensburg 1989, S. 711720, 715.

10) Willibald Weber: Erzabt Bonifaz Wimmer t 8.12.1887, in: AJM 46 (1979/80) S. 24.

11) Oetgen: An American Abbot, S. 94 (Übs. v. Verf.).

12) Oetgen: An American Abbot, S. 78 (Übs. v. Verf.).

13) Vgl. Basilius Doppelfeld: Mönchtum und kirchlicher Heilsdienst. Entstehung und Entwicklung des nordamerikanischen Benediktinertums im 19. Jahrhundert (= Münsterschwarzacher Studien Bd. 22), Münsterschwarzach 1974, S. 43.

14) Oetgen, An American Abbot, S. 191 (Übs. v. Verf.).

15) Oetgen, An American Abbot, S. 198 (Übs. v. Verf.).

16) Oetgen, An American Abbot, S. 278 (Übs. v. Verf.).

17) Oetgen, An American Abbot, S. 7 (Übs. v. Verf.).

18) Oetgen, An American Abbot, S. 22 (Übs. v. Verf.).

19) Oetgen, An American Abbot, S. 295 (Übs. v. Verf.).